Adieu für einen Asylanten
Du kamst von fern, kaum einzuschätzen,
aus einem märchenhaften, grauenreichen Land
aus einem Dasein, das dir alle Freude,
dir alle Würde, Liebe, Kraft genommen hatte.
Und doch: du zeigtest Mut zur Offenheit
Und wolltest mir vertrauen, als wir uns trafen,
in deinen so oft müden grauen Augen
schien dann und wann ein Funke Hoffnung aufzukeimen.
Ein bisschen Hilfe bot ich dir, doch nie zu viel,
zu groß schien die Gefahr der Nähe,
du aber wolltest irgendwann darüber reden
was Menschen einem Bruder anzutun bereit sind.
Verhöre – Stunden voller Schrecken,
den Kopf ins Wasser, bis die Lunge scheinbar platzt,
Elektroschocks, wenn du nicht sprechen wolltest,
die Kugel, die dir drohte – die Erlösung kam nicht.
Kein Vorderzahn blieb dir, die Haut der Beine
Verbrüht durch kochend heißes Wasser oder Öl,
endlose Finsternis bis deine Augen leer geworden,
schmerzhaft allein, kaum körperlang die Zelle.
Dann wieder hundert oder zweimal hundert Männer
In einem Raum nicht größer als ein Stall,
so viele, dass die Luft zum Atmen fehlte
und keiner fallen konnte wenn der Tod ihn holte.
Die Schreie, die im Kerker widerhallten,
Befehle, sich den Tod am Galgen anzusehen,
wie Glieder abgehackt, wie Augen ausgestochen –
endgültig weg, was doch dem Leben dienen sollte.
Das ganze vierzehn lange Jahre,
die Tage längst nicht mehr gezählt,
Entlassung irgendwann – doch wozu überleben?
Zehn Jahre Flucht in paradoxem Widerstand.
Im Helikopter hast du dich geweigert
Auf Menschen Bomben abzuwerfen – das warf man dir vor,
du wolltest fremde Kinder leben, lachen lassen,
doch Schutz für deine eignen konntest du nicht bieten.
Du schätztest unser Land, bewundertest die Freiheit
Und liebtest Jesus Christus, aber Nacht für Nacht
Kamen Dämonen, die dir drohten – bis dir Flügel wuchsen,
um endlich diesen Höllenschlund zu überwinden.
Für einen iranischen Piloten, der nach 14 Jahren Haft, 10 Jahren Flucht und Widerstand im Irak sowie drei Jahren Aufenthalt in Deutschland an den Folgen seiner Inhaftierung starb. Asyl bekam er (nach 27 Monaten als Asylbewerber) nicht wegen drohender Verfolgung, sondern weil er inzwischen zum Christentum konvertiert war.
Tonia Schellenberger