Flucht 2019 aus der Türkei

anonym

Der Anfang


Geboren wurde ich in einem einsamen Dorf in der Region Ostanatolien in der Türkei. Nach der Grundschule schloss ich die Mittelschule und das Gymnasium in einer Stadt weit weg von zu Hause ab. Meine Familie vermisste ich sehr.  Trotzdem studierte ich Lehramt für die Grundschule und arbeitete anschließend als Lehrer und Schulleiter in Zentralanatolien. Ich wollte gute Menschen bilden, ich hoffe, dass mit das gelungen ist. Nach meinem Master und der Promotion arbeitete ich als Dozent und hatte ein bisschen mehr Freiraum, meine Familie wiederzusehen. Das erfreute immer mein Herz.


Doch am 15. Juli 2016 wurde alles anders. Durch den Militärputschversuch verlor ich meine Arbeit, meine Familie, meine Freiheit. Ich musste aus politischen Gründen für 16 Monate ins Gefängnis. Wieder weit weg von meinen Eltern, meiner Ehefrau und meinen Töchtern.


Nachdem ich entlassen worden war, versuchte ich jede Arbeit anzunehmen, um meine Familie zu unterhalten. Doch dann wurde mir auch die Arbeitserlaubnis und der Reisepass von der Regierung entzogen. Ich wollte trotzdem bleiben und dagegen ankämpfen, aber mein Anwalt kam mit einer schlechten Nachricht: Anscheinend hatte mich jemand bei der Polizei angeschwärzt, so dass mir wieder Gefängnis drohte. Da fasste ich den schnellen Entschluss mit Frau und Kindern zu fliehen.

Die Flucht


Der Weg, den wir nahmen, war sehr gefährlich und endete bei vielen sogar tödlich. Das Schicksal und das Glück mussten also auf unserer Seite sein. Zunächst überquerten wir in einem uralten Boot den Fluss nach Griechenland. Das war sehr riskant, denn wir drohten zu kentern und wir hatten Angst, dass uns griechische Soldaten zurückstoßen würden und wir den türkischen Soldaten in die Hände fallen könnten, was viele Jahre Gefängnis bedeutet hätte. Nach der Überquerung des Flusses und einem sechsstündigen Fußweg mit den kleinen Kindern stellte ich mich schließlich der griechischen Polizei.  Wir wurden zwei Tage lang festgehalten und verbrachten dann eine Woche in einem griechischen Gefängnis. Aber wir wurden von den Beamten gut behandelt. Nachdem wir die griechische Aufenthaltsgenehmigung erhalten hatten, gingen wir nach Athen, wo wir einige Monate lebten, dann flogen wir nach Deutschland.


In Deutschland


Ich bin sehr glücklich, mit meiner Familie in Deutschland zu sein.  Deutsch zu lernen, neue Leute kennenzulernen und mich in das System zu integrieren, ist für mich ein spannendes Abenteuer. Ich hoffe, dass ich es auf die bestmögliche Weise schaffen kann.
Seit drei Jahren bin ich jetzt in Deutschland.  Aber die Sehnsucht nach meinen Eltern wächst wieder, denn die politische Atmosphäre in der Türkei ist immer noch dunkel und es ist sehr unklar, wann sich die Situation verbessern wird.