Gedanken eines Globus

von Ulla Kühl

Ich bin die Welt. Ich habe sieben Kontinente, sieben Weltmeere und beherberge acht Milliarden Menschen. Na gut, ich bin nicht DIE Welt, ich bin ein Globus. Aber ich bin trotzdem sehr wichtig. Immerhin stehe ich direkt am Empfangstresen, gleich am Eingang. Niemand kommt an mir vorbei. Mich sieht man schon von der Tür aus. Nicht so, wie andere Gegenstände, irgendwo im Raum verteilt, die man erst auf den zweiten, dritten oder auf gar keinen Blick wahrnimmt. Ich kenne sie alle und alle kennen mich.
Ich glaube, das weiße Fahrrad über der Garderobe ist eifersüchtig. Neulich meinte es, ich müsse immer im Mittelpunkt stehen. Tja, dann soll es mir mal sagen, warum ich immer komplett abgestaubt werde, während bei ihm nur die unteren Reifen kurz abgewedelt werden.
Ich bin die Welt. Auf meiner Oberfläche kann man so viel lernen. Und meinen runden Körper darf jeder drehen, ich bin nicht schüchtern. Nur manchmal, wenn ich nachts die Geräusche aus der Südstadt höre und nicht schlafen kann, weil ich wieder Streit mit dem Flyerhalter hatte, dann stelle ich mir vor, wie schön es wäre nur einen Besitzer zu haben. Aber dann fällt mir wieder ein, wie mein alter Freund aus der Globusfabrik beim Klassentreffen erzählt hat, dass sein Besitzer ihn regelmäßig mit Stecknadeln quält, wenn er aus dem Urlaub zurück kommt. Da muss ich schon sagen, hier bei der AWO, da bin ich gerne zu Hause.