Mit anderen gut in Kontakt kommen ...

von Julia Schandri

Mit anderen gut in Kontakt kommen: Unser „Baumtreff“ als eine Möglichkeit dafür…

Nürnberg, den 21.08.24:

Wer hätte gedacht, dass mit einfachen Regeln die Kommunikation so tiefgehen kann! Kommunikation heißt einfach nur, sich mitteilen. Und unser Gespräch unterm Baum stand unter dem Thema „Wie ich mit anderen gut in Kontakt komme“.

Während ich noch zweifle, ob das Thema nicht zu theoretisch ist und kaum jemanden anspricht, kommen neben zwei Rentnern, sie Nr. 1 und er Nr. 6, zwei Frauen aus Syrien, Nr. 4 und 5, ein Deutschalgerier, Nr. 3, eine Studentin Nr. 7 und eine Krankenschwester, Nr. 2, beide aus der Nachbarschaft in unseren Kreis unter dem Baum im Hinterhof des Mehrgenerationenhauses AWOthek in der Nürnberger Südstadt. Altersspanne: 23 bis 73 Jahre. Ich bin erst mal sprachlos über so viel Zulauf und schreibe wir immer das Gesagte mit. Denn aus Erfahrung weiß ich, es ist kostbar. Nur wer den Redestab in der Hand hält, darf sprechen. Keine Fragen, kein Unterbrechen, Schweigen manchmal, oft kommen Gefühle hoch und wirkliche Kommunikation entsteht, einfach so.

Nr. 3: hier vor Ort hab ich keine engen Freunde. Es gibt so viel schwierige Themen: den Ukraine-Krieg, Rassismus, ich kann mit der Meinung anderer oft nicht gut umgehen, das ist auch traurig. Gab es das früher auch, einfach den Kontakt abzubrechen? Auf der Arbeit diskutieren sie, ob man nicht besser Sie zueinander sagt, als Du. Ich erzähle auch mal was Persönliches, damit die Fremdheit abnimmt. Ich finde das Du viel schöner.

Nr. 1: ich bin öfters umgezogen, von einer Stadt zur anderen. Ich schau immer neu, wie ich in Kontakt komme, damit ich mich zuhause fühle. Ich gehe meinen Hobbys nach. Wenn ich weiß, was ich gern tue, dann finde ich schnell Gleichgesinnte.

Nr. 4: ich habe Panik, vor Menschen zu reden wegen meinem Deutsch, da es nicht meine Muttersprache ist. Auf der Arbeit bekomme ich Panik, wenn ich vor anderen Menschen reden muss. Es gibt auch Konflikte wegen meinem Kopftuch, auf der Arbeit und in der Schule. Ich bekomme das Gegenteil von dem, was ich will. Ich will Kontakte zu Deutschen, aber die andere Frau mit Kopftuch sucht meine Nähe. Jetzt ist sie böse auf mich, weil ich andere Kontakte suche, nämlich die zu Deutschen.

Nr. 3 zu Nr. 4: du sprichst super Deutsch, du musst keine Hemmungen haben.

Nr. 7: auf Partys ist Kontakt einfach, liegt am Alkohol, da entwickelt sich aber nie Freundschaft. Wenn ich hierher komme ins MGH, dann sind da viele verschiedene Menschen, das tut mir gut, ich überlege, was jeder so mitbringt. Hier öffnet sich mein Horizont.

Nr. 1: das mit der Intoleranz: es ist wenig über Kopftuch tragen bei uns bekannt, aber hier im MGH ist alles ok.

Nr. 8, das bin ich, 61 Jahre: letzte Woche hatte ich eine anstrengende Begegnung. Ich fand das Verhalten eines Mannes aggressiv und die Art, wie ich ihn beruhigen wollte, hat ihn noch mehr angestachelt. Gestern war er hier und hat erklärt, dass er es doch nur gut gemeint hat, dass er nicht aggressiv, sondern nur deutlicher wurde. Er dachte, er wird nicht gehört. Er meinte, ich kenne ihn gar nicht. Das konnte ich nur bestätigen. Und jeder hat sein Empfinden in der Situation ausgedrückt. Keiner musste Recht haben. Ich will bestimmt nicht mit ihm befreundet sein, aber in dem Moment hab ich mich ihm nah gefühlt. Er kam extra, um mit mir zu reden. Das hat mich bewegt. Wir haben uns angelächelt und alles war gut.

Nr. 6: verabschiedet sich, das ist ihm gerade zu intensiv, zu viel, er ist müde.

Nr.2: ich bin total berührt. (sie weint), für mich ist es schwer Kontakt herzustellen, eure Offenheit macht mich dankbar. Ich weiß nicht, was meine Interessen sind, kann also über Hobbys keine Kontakte knüpfen, ich mach halt mit, um von anderen angenommen zu werden. Ich versuche gerade herauszufinden, wer ich bin. Ich hab früher auch auf Partys Menschen kennen gelernt, jetzt ohne Alkohol ist es, als ob Mutti dabei ist, die halt nüchtern ist, fallt mir schwer auf andere zuzugehen, wenn kein Alkohol im Spiel ist, Alkohol akzeptiert Blödsinn labern.

Nr. 7: das kann ich total gut nachvollziehen, ich hab auch keine Hobbys. Alkohol ist wie Kleber, man trinkt, dann läuft es schon.

Nr. 5 redet nicht, hört nur zu, hat Tränen in den Augen. Ich schaue sie an und sehe auch Dankbarkeit in ihren Augen.

Nr. 3: im Studium hab ich viel getrunken, ich musste es von vorne lernen, Kontakte nüchtern aufzubauen, ich find´s jetzt gruselig, wenn Kontakt nur mit Alkohol geht. Gemeinsame Interessen, so wie Fußball, da entstehen bei mir keine Freundschaften, wir gehen hinterher was trinken und wir reden viel Blödsinn, das tut schon gut. Mehr ist es nicht.

Nr. 7: wir haben sogar in der Großfamilie Probleme miteinander wegen Corona und so. Man muss verheimlichen, wenn man geimpft ist. Wir reden am besten gar nicht darüber. Dann ist halt auch der Kontakt weg. Manche, die da unterschiedlicher Meinung sind, gehen sich, so gut es geht, aus dem Weg.

Nr. 1: „du musst“ oder „darfst nicht“ ist immer schwer. Es doch wichtig, trotzdem in Kontakt zu bleiben über die gemeinsamen Interessen. Gemeinsames vereint.

Nr. 7: das Bild des Missionars trifft es ganz gut, wollte es nicht sagen, aber manche aus der Familie waren so intolerant.

Nr. 8: die Interessen können sich ja auch im Laufe des Lebens ändern. Ich hab auch immer wieder neue Kontakte, eben über neue Interessen. Gute, alte Freunde von mir haben so manche Verschwörungstheorie im Kopf. Das ist schwer auszuhalten, aber uns verbindet sehr viel und wir müssen immer wieder neu mit den Themen umgehen lernen. Das ist auch ein Prozess, der sich aber lohnt. Die Freunde sind mir einfach zu wichtig. Ich lerne ja auch immer was dabei, eben das in Kontakt bleiben trotz sehr unterschiedlicher Meinungen.

Nr. 4: mein Mann hat sich nach 20 Jahren geändert, ich nicht, er wollte vieles anders als ich, er hat mir trotzdem mehr Freiheit gegeben, ich bin alleine aus dem Haus, das hat er z.B. erlaubt. Er wollte mich zu manchen Dingen zwingen. Wenn jemand zu mir sagt, „du musst“, das lehne ich ab. Warum will jemand andere ändern? Ich habe kein Recht dazu jemand zu zwingen. Jeder soll so leben, wie er will. Ist mein Verhalten falsch? Ich weiß es nicht.

Nr. 3: ich finde, Humor hilft, z.B. kann ich sagen, „meine deutsche Oma hat auch Kopftuch getragen, immer“. Das Thema Rassismus kann ich nicht mehr ertragen, hab keine Kapazitäten für Auseinandersetzungen mehr. Und was will man auch antworten, wenn jemand sagt, dass alle Medien lügen.

Nr. 7: man muss für sich wissen, über was man hinwegsehen kann und wann man den Kontakt nicht mehr will, einen klaren Standpunkt einnehmen.

Nr. 2: was ich total schön finde: wenn man sich auf Gefühlsebene begegnet, da ist ein guter Kontakt da, man hat gute Chancen für Verständnis. Die sozialen Medien machen alles gleich, man verliert das Gefühl für das Gegenüber, man denkt, man ist sich ähnlich, dabei stimmt es gar nicht, weil man dem Menschen ja nie live begegnet ist.

Dieser Austausch ist völlig ohne Fragen, ohne Diskussion ausgekommen. Die Menschen sind sich einfach durchs gegenseitige Zuhören nähergekommen. Sie haben sich hinterher noch über alles Mögliche ausgetauscht, um sich gegenseitig ihre Fragen zu stellen, die ja trotzdem auftauchen.
Die Gruppe löst sich langsam auf. Der Abschied voneinander fällt schwer, obwohl sich die meisten heute zum ersten Mal im Leben begegnet sind.